Hanseatische Bodenständigkeit trifft auf die unkonventionelle Welt des Jazz

 

Die Jazzahead entwickelt sich weiter, dehnt sich aus. Auf der Eröffnungsveranstaltung benennt der Bremer Messechef Hans-Peter Schneider, einer der Erfinder dieser inzwischen über Europa hinaus beachteten größten Jazzmesse der Welt mit angeschlossenem Festival, über 3.000 Fachbesucher und 16.000 Konzertbesucher als neue Bestmarke. Für die Zukunft erwartet die Messegesellschaft weiter wachsende Zahlen und hält es sogar für realistisch, mittelfristig in die ÖVB-Arena ziehen zu können. Als neue Teilnehmer begrüßt er unter anderem neue russische Aussteller sowie eine Reihe asiatischer Neuzugänge.


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@ Photo copyright Ingo Wagner :: Messe Bremen

 

Das Gastland Schweiz mit seinem umfangreichen Programm setzt schon bei der Eröffnung den richtigen Akzent, in dem Erika Stucky mit Lucas Niggli am Schlagzeug und Markus Unternährer an der Tuba zwischen den Reden der Honoratioren einen Kontrapunkt zur hanseatischen Gediegenheit formuliert. Mit einer Mischung aus Indianergesang und Jodeln traktiert sie eine Eingangstür, um dann wie ein Derwisch auf die Bühne zu stürmen, den Stiel eines auf ihrer Schulter platzierten Schneeschiebers zum Schlaginstrument umfunktionierend. "You won't get that cow from the Alp thing. I 've got that Swiss Voodoo," lautet das lakonische Statement dieser exotischen Mischung aus kalifornischer und Waliser Herkunft. Niggli trommelt, was das Zeug hält und Unternährer zeigt mit kraftvollen Tubaläufen seine Klasse. Das schwarze Kleid Stuckys mit dem roten Schweizer Kreuz ist die verschmitzte Klammer zum offiziellen Teil der Veranstaltung. Es ist eine höchst unkonventionelle und charmante Idee, das mit Bremer und Schweizer Honoratioren hochkarätig besetzte Publikum durch den Paradiesvogel Stucky mit deren aufmüpfigen, nicht glattgebügelten Jazz zu zu konfrontieren. In ihrer unverwechselbaren Schalkhaftigkeit lädt sie die Besucher für den nächsten Nachmittag zum Solokonzert in die als Konzertkulisse nun doch eher ungewöhnlichen Kellergänge vor den Toiletten ein und erntet heftigen Applaus.  Peter Schulze bringt es auf den Punkt, wenn er den gewollten Kontrast zwischen Bodenständigkeit und Weltläufigkeit Stuckys mit dem Jazz der Schweiz hinweist. Staatsrätin Emigholz verweist darauf, dass eben diese Werte auch zur hanseatischen Tradition gehören.

 

Wo man auch hinschaut in den nächsten Tagen, herrscht geschäftiges Treiben, Austausch von Visitenkarten und CDs, interessiertes Zuhören und das Verhandeln von Konditionen. Musiker treffen Veranstalter, Plattenproduzenten tauschen sich mit Vertriebsleuten aus, Journalisten werden auf Neuveröffentlichungen aufmerksam gemacht. Musiker suchen auf eigenen Messeständen die Aufmerksamkeit der Jazzwelt, Jazzzeitschriften und Festivals von Tokio bis Ystad bewerben ihre Veranstaltungen. Während die normalen Besucher bedauern, keinen Zugang mehr zur Fachmesse zu haben, sind die Fachleute froh, nicht mehr von CD-Jägern belagert zu werden. Objektiv betrachtet ist das ein Zeichen dafür,  das die Jazzahead erwachsen wird, die notwendigen Stellschrauben bedient, den professionellen Bereich zu optimieren. Für die Festivalbesucher gibt es eine derartige Fülle an Konzerten, dass sie an der Qual der Wahl leiden. Die Jazzahead setzt ihren bislang erfolgreichen Weg fort und gewinnt immer größere weltweite Beachtung.

 

Autor: Gerd Harthus